EMMA

Unser Schulhund

Liebe Kinder,

was würdet ihr sagen, wenn ihr auch noch sonntags in die Schule müsstet???

Jaaaa, so habe ich auch geguckt, als ich Sonntagmorgen los musste.

"Aber es ist doch Wochenende!" habe ich gedacht. Ich hatte aber keine Chance. Nur dieses Mal fuhren wir einen ganz anderen Weg. Und als ich ausgestiegen bin waren da gar keine Kinder! Komische Schule. Dafür waren da aber ganz viele andere Hunde. Das fand ich super!


Zuerst durften wir uns so richtig austoben. Das hätte ich den ganzen Tag machen können. Aber auch wir hatten einen Stundenplan. Den hat die Anke Brinkmann, meine Hundetrainerin, gemacht. Wir hatten aber kein Deutsch, Mathe oder Sachunterricht. Wir sollten lernen, mit Krücken, am Rollator und am Rollstuhl zu laufen und uns nicht davor erschrecken, wenn die mal umfallen oder komische Geräusche machen. Das hat mir gar nichts ausgemacht.Danach war erstmal Pause. Wie in einer richtigen Schule war das auch hier das Beste vom ganzen Tag. Nach der Pause kam der nächste Block: Einige Frauchen hatten Spielzeuge mit, mit denen Kinder und besonders behinderte Kinder gut mit Hunden spielen können. Die hätte ich alle mitnehmen können, denn überall kam am Ende Leckerchen raus! Danach hatten wir wieder ein Pause.


Am Schluss haben sich die Teilnehmerinnen noch einmal darüber unterhalten, worauf man achten muss, wenn ein Hund mit in die Schule kommt... Sie nannten das "Hygiene". Das fand ich total doof, weil ich nicht in die Mensa darf. Ich würde a aber sooooooo gerne mal rein und gucken, was da so alles unter den Tischen liegt... Hygiene ist nicht mein Lieblingsfach.

Eure Emma



Das Schulhundprojekt an der Schule am Bienenhaus

Wenn ich nicht in die Hundeschule gehe, gehe ich mit Frau Brune in den Unterricht. Meistens machen wir dann Mathe oder Englisch. Ich lese und rechne gern mit den Kindern. Ich höre ihnen gerne beim Lesen zu, lausche dem Erzählkreis oder dem Klassenrat und lasse mich dabei von ganz vielen Kinderhänden streicheln, tröste traurige Kinder oder muntere schüchterne Kinder auf. Danach liege ich im Schulleiterbüro und ruhe mich aus. Manchmal schnarche ich dabei so laut, dass sogar die Sekretärin Frau Breznikar mich hört.
Wenn ich nicht gerade in der Grundschule oder in der Hundeschule bin, dann mache ich ganz viele andere Dinge: 
Gerne gehe ich mit Hunde- und Menschenfreunden stundenlang spazieren. Am liebsten immer woanders. Ich fahre gern in den Urlaub ans Meer oder in die Berge. Wenn ich Mal nicht ans Meer oder zum See kann, gehe ich bei schönem Wetter eben in den Pool. Der steht in meinem Garten. Auf den Garten passe ich auch immer auf. Super gerne gehe ich auch mit zum Reiten. Die Pferde und Katzen am Stall finde ich super! Ich liebe es, wenn Kinder bei uns zu Besuch sind. Die lassen immer Kekskrümmel fallen, die saug ich dann einfach weg.

Ein Schulhund? Wozu soll das gut sein? Darf man das überhaupt?  

Im Schulgesetz des Landes NRW wurde mit dem im Jahr 2006 geänderten Schulgesetz die Eigenverantwortung der Schulen in Nordrhein-Westfalen hervorgehoben. Die Schulen vor Ort sollen gestärkt werden, indem sie die Möglichkeit erhalten, eigene Vorhaben im Bereich der Unterrichtentwicklung auf den Weg zu bringen, die speziell auf die Bedürfnisse ihrer Schule zugeschnitten sind. So können sich die Schulen statt „von oben“ von der Basis weiterentwickeln.

Daher sind wir wie folgt vorgegangen:

  • Das Schulhundprojekt stand zur Abstimmung auf der Tagesordnungsliste der Lehrerkonferenz und Emma wurde vorgestellt. 
  • Es gab einen Elternabend mit Emma für Eltern der eigenen Klasse (schriftliche Zustimmung aller Eltern der Klasse ist notwendig/Eltern und Schüler der anderen Klassen sollten informiert werden – eine Befragung ist allerdings nicht notwendig) 
  • Das Projekt und Emma wurden der Schulpflegschaft vorgestellt und über die Implementation einstimmig befürwortet. 
  • Das Projekt und Emma wurden der Schulkonferenz vorgestellt und über die Implementaion einstimmig befürwortet. 
  • Die Elternschaft wurde über einen Brief über Emmas Einsatz als Schulhund informiert und gleichzeitig eine schriftliche Zustimmung zum Verlassen des Schulgeländes in Kleingruppen (mindestens 3 Schüler) eingeholt. 
  • Die Schüler der eigenen Klasse wurden über den richtigen Umgang mit Emma informiert. 
  • Information der Schulrätin und des Gesundheitsamts. 
  • Emma wurde in allen Klassen vorstellig. 
Seitdem all dies erfolgt ist und somit alle Zustimmungen vorliegen, kann Emma als „Schulhund“ eingesetzt werden. Allerdings sollten bestimmte Konventionen eingehalten werden. Ein Hund sollte nie unbeaufsichtigt durchs Schulgebäude laufen, nie ohne Leine im Schulgebäude unterwegs sein (in der Klasse natürlich ohne Leine) und hat auch während den Pausen auf dem Schulhof nichts zu suchen. Mit den Eltern meiner Klasse ist zusätzlich vereinbart, dass das Projekt sofort beendet wird, falls Kinder unüberwindbare Ängste oder z.B. Allergien aufweisen. Nicht jeder Hund eignet sich zum Schulhund. Wichtig ist, dass die Rasse verträglich ist und mit Kindern umgehen kann. Idealerweise sollte der Welpe/Hund schon seit Geburt mit Kindern in Kontakt sein. 

Der Hund sollte folgende Wesenseigenarten mit sich bringen: 

  • Grundgehorsam 
  • Grundsätzliche Freundlichkeit  
  • Berührungsfreundlichkeit 
  • Ausgeglichenheit (nicht leicht zu erschrecken und erholt sich schnell von einem Schreck) 
  • Umgang mit weglaufenden oder stolpernden Kindern 
  • "Entschärfendes" Verhalten (zieht sich eher zurück, wenn etwas unangenehm ist) 
  • Unaufdringliches Begrüßungsverhalten (z.B. nicht Anspringen, wenn nicht erwünscht) 
  • Sanftes Annehmen von Futter aus der Hand 
  • Stillhalten können, wenn gewünscht 
  • Manipulationsneutral (lässt sich vom Hundehalter "alles" gefallen, z.B. Maulöffnen, Pfotenkontrolle) 
  • Alleinsein können 
  • Gerne Auto fahren 
  • Umgang mit Behinderungen (Rollstuhl, Krücken) 

Wissenschaftlicher Hintergrund des Projekts 

In Deutschland steckt dieses Projekt noch in den Kinderschuhen. In der Schweiz und in Großbritannien werden Hunde bereits seit Jahren im Unterricht eingesetzt. Hierzu gibt es eine ausführliche Studie des Züricher Instituts für interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung (IEMT) von 1998. Darin berichtet 30 Schweizer Kindergärtnerinnen und Primarlehrer, die ihr Tier zur Arbeit mitbrachten, von sehr positiven Erfahrungen (http://www.iemt.at/). Des Weiteren sind bereits einige interessante Publikationen in Printmedien, im Internet und in Buchform zu entdecken. Ganz kurz zusammengefasst möchte ich folgende Ergebnisse vorstellen:
Ein Schulhund schafft ein besseres Schulklima
Paula bringt die Schüler zum Lachen verbessert die Stimmung. Studien zeigen, dass bei z.B. gedrückter Atmosphäre ein Tier negative Gedanken unterbrechen kann, indem es die Aufmerksamkeit auf sich zieht. (Vgl. Katscher/Friedmann) Dies gilt übrigens nicht nur für die Schüler, sondern auch fürs Lehrerkollegium.

Hunde lehren neue Wege des Umgangs mit Aggressionen
Hunde reagieren auf rücksichtsloses Verhalten mit vorsichtigem Rückzug. Damit zeigen sie Kindern auf neutrale, nicht vorwurfsvolle oder wertende Weise (was uns Lehrern ab und an nicht gelingt), dass ihnen unkontrollierte Aggression selbst schaden. Dennoch sind die Kinder nicht verletzt. Die grundsätzlich fast bedingungslose Akzeptanz des Tieres macht die Kritik leichter annehmbar. (Vgl.Vanek-Gullner)

Mehr Frustrationstoleranz und Kritikfähigkeit
Ein Hund macht spürbar: „Ich nehme dich so an wie du bist“. Unabhängig davon, wer und was wir sind, vermittelt das Tier emotionale Wärme und bedingungslose Akzeptanz. Gerade unsere Schüler leiden oft an geringem Selbstbewusstsein und reagieren deshalb aggressiv. Dadurch trifft man im Schulalltag immer wieder auf zwei Kernprobleme: Zum Einen wird konstruktive Kritik oft als Angriff auf die eigene Person empfunden – das Kind fühlt sich verletzt und zieht sich zurück. Durch eine „Auszeit“ zum Streicheln oder Spazieren gehen kommen Kinder wieder zur Ruhe und lassen auch dem Lehrer wieder eine Chance. Zum Anderen fällt es unseren Schülern oft schwer im Spiel zu verlieren. Ausscheiden verletzt – im Spiel und im Leben. Im spielerischen Tun mit dem Hund werden Rückschläge geübt. Versagen wird durch die Akzeptanz des Tieres annehmbar. ( Vgl. Vanek-Gullner)

Hunde ermutigen
Die bereits erwähnte bedingungslose Annahme eines Hundes macht stark. Dieser „Ermutigungs-Effekt“ wird dadurch verstärkt, dass eine funktionierende Kommunikation mit einem Hund überzeugendes Auftreten unabdingbar voraussetzt. Jeder Befehl führt nur dann zum Erfolg, wenn er mit innerer Entschlossenheit gesprochen wird (Vgl. Vanek-Gullner). Empirische Studien bestätigen: Hundebesitzende Kinder sind selbstbewusster als gleichaltrige Nichttierbesitzer. Selbst Kinder, die lediglich in einer Schulklasse für ein Tier Sorge tragen, zeigen signifikant mehr Selbstachtung. (Vgl. Bergesen)

Ein Schulhund für die Gemeinschaft
Wissenschaftlich bewiesen ist, dass Kinder durch „soziale Katalysatoren“ (Hund) leichter mit anderen Kindern Kontakte knüpfen (Vgl. Guttmann). 2001 beobachtete Ortbauer das Sozialverhalten sechsjähriger Kinder ohne Haustier, die in ihrer Klasse regelmäßig Kontakt zu Hunden hatten. Soziale Beziehung und gemeinsame Aktivitäten der Schüler nahmen in der Häufigkeit zu. Besonders in sich gekehrte Kinder brachten sich aktiver in das soziale Geschehen ein (Vgl. Ortbauer).

Hunde fördern unsere Sensibilität
Kindliche Heimtierhalter erzielen bessere Leistungen in der nonverbalen Kommunikation als Gleichaltrige, die kein Haustier besitzen (Vgl. Guttmann in Vanek-Gullner). Besonders eine Partnerschaft mit einem Hund sensibilisiert für den Nächsten. Da der Vierbeiner lediglich nonverbale Sprachanteile umsetzen kann, muss man sich auf das tierische Gegenüber einstellen. Gerade verhaltensauffällige Kinder treten oft rücksichtslos oder/und unbeherrscht auf. Dadurch erleben viele zu selten, dass liebevolles Verhalten positive Reaktionen hervorruft. Durch die Interaktion mit dem Hund werden die eigenen Möglichkeiten zur Empathie oft geweckt (Vgl. Katscher/ Beck).


Literatur:
Agsten, Lydia: HuPäSch – Hunde in die Schulen - und alles wird gut!?Berlin. Books on Demand 2009

Beck, A.; Katscher, A.: Wie Heimtiere die Gesundheit und die Lebensqualität des Menschen verbessern. In: AFIRAC: The changing roles of animals in society. Prag 1998

Bergesen, F.J.: The effects of the pet facilitated therapy on the self-esteem and sozialization of primary school children. AFIRAC. Monaco 1989 Guttmann, G. Einfluss der Heimtierhaltung auf die nonverbale Kommunikation und die soziale Kompetenz bei Kindern. In: Die Mensch-Tier-Beziehung. Wien 1983

Ortbauer, B.: Auswirkungen von Hunden auf die soziale Integration von Kindern in Schulklassen. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Wien 2001

Röger-Lagenbrink, Inge: Das Tehrapiehunde- Team. Ein praktischer Wegweiser. Nerdlen/Daun. Kynos Verlag 2011

Vanek-Gullner, A. : Lehrer auf vier Pfoten. Theorie und Praxis der hundgestützten Pädagogik. Wien 2007

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